von Pater Tilmann Beller, aus “Unterwegs zum Du”
Früher war das einfacher. Der erste Sohn übernahm den Bauernhof, und schon für den zweiten und dritten wurde das ganze schwierig. Aber als Priester hatte man gute Aussichten: Der Pfarrhof in einem Dorf hatte gewöhnlich mehr Land zu bebauen als jeder andere Hof. Damit war der Pfarrer der größte Bauer, und es lohnte sich, Pfarrer zu werden. Die Söhne der Fürsten wurden nicht selten Bischöfe oder Chorherren und hatten in vielen Fällen Personal, das sie bediente. Aber bei einem ungeteilten Leben mit Gott geht es um etwas anderes. Eine geistliche Berufung ist schwer zu leben und stellt hohe Anforderungen.
Es seien einige Gesichtspunkte genannt, die für einen geistlichen Beruf unerlässlich sind. Erstens: Gesundheit. Wer einen geistlichen Beruf ergreifen will, muss körperlich und seelisch kerngesund sein. Die Versuchung für schwache Persönlichkeiten dorthin zu gehen, wo man geistlichen Trost, Erbauung und Hilfe findet, ist groß. Aufgabe der Verantwortlichen ist es, nur die Besten auszulesen. Die Überwindung des Priester- und Nachwuchsmangels geschieht durch eine rigorose Auslese: Nur die Besten wirken anziehend.
Zweitens: die Sehnsucht nach dem Großen. Bürgerliche Mentalität, die mit Mittelmäßigem zufrieden ist, taugt nicht für einen geistlichen Beruf.
Drittens: eine tief religiöse Anlage. Eine geistliche Berufung muss ein Stück weit in der Natur verankert sein. Das heißt, es findet sich eine gewisse Freude an Gott, eine selbstverständliche Nähe zu Ihm, und eine Sympathie zu Menschen, die ähnlich veranlagt sind. Freilich können auch Eheleute, die in ihrem Dienst für das Reich Gottes von Gott erwählt sind, diese Veranlagung haben und andere dadurch ‚nach oben‘ ziehen.
Viertens: eine gewisse Großmut im Denken. Wer an Kleinigkeiten hängen bleibt; wer nicht über die vielen kleinen Torheiten anderer Menschen hinwegsehen kann; wer meint, er muss überall herumkritisieren, weil er alles besser weiß; wer empfindlich ist, wenn er beleidigt oder gekränkt wird, oder wenn ihn eine größere Erkältung erwischt hat, hat keine geistliche Berufung.
Fünftens: ein kraftvolles Streben, der Wille und die Fähigkeit sich selber zu ändern. Gefragt ist das, was ein Sportler bringt, wenn er höchste Leistungen vollbringen will: Die Fähigkeit zu verzichten und hart an sich selber arbeiten zu können, an der gesamt menschlichen Entwicklung: körperliche Befähigung, geistiges Wachstum durch Studium und Wissen und letzten Endes Wachstum in der Liebe zu Gott. Man nennt das Streben: besser, stärker, gescheiter werden. Wer eine geistliche Berufung hat, ist nie mit sich zufrieden, aber hat eine große Freude an sich selbst. Deswegen zeichnet den Berufenen oft eine gewisse Heiterkeit aus, die Neigung, auch in schwierigen Lagen zu lächeln, Güte gegen schwierige Personen und eine Ausstrahlung zu haben, die ‚nach oben‘ zieht.
Zum Buch: https://www.kathtreff.org/blog/wegweiser-fur-singles/
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Interessante und inspirierende Ansätze. Eine Frage stellt sich mir aber sehr. Wieso muss jemand ‚kerngesund‘ sein, um zu dem Dienst in der Kirche berufen zu werden? Ruft Gott nicht selbst und können Sie denn ausschließen,dass er nicht auch mal Menschen mit bestimmten Handicaps ruft? Sicherlich ist es wichtig eine stabile und gefestigte Persönlichkeit zu haben. Aber kann jemand der ein chronisches Rückenleiden,eine Schulddrüsenerkrankung oder eine posttraumatische Belastungsstörung hat,nicht genauso von Gott gewollt, von seiner Liebe erfüllt und berufen,in der Liebe Gottes zu dienen sein?
Ich finde die Aussage jemand muss ‚kerngesund‘ sein zum einen sehr eng und schwarz/weiß gedacht. Sie wird der komplexen Realität des menschlichen Lebens nicht gerecht. Gesundheit ist ein dynamischer Prozess und ein Weg,der im Gehen,enrsteht.Zum anderen empfinde ich die Aussage diskriminierend und stigmatisiernd,damit wird Menschen mit chronischen Erkrankungen viel Unrecht und Leid zugefügt.