von Pater Tilmann Beller, aus “Unterwegs zum Du”
Es ist ein großes Theater: Sie zeigen überall liebenswerte Menschen. Diese Menschen sind teuer und gepflegt gekleidet. Sie schauen siegesbewusst in die Gegend. Sie machen große Sachen – oder kleine idyllische Dinge. Pensionisten spielen mit Kindern oder sitzen auf der Schaukel. Schöne Menschen, junge Menschen, attraktive und liebevolle Menschen – gepflegte graue Haare – Theater.
Das Leben ist anders. Wir sind nicht so, wie man uns immer vorführt, dass wir eigentlich sein müssten. Wir sind anders: eine Frau, die gerade von der Arbeit heimkommt und jetzt anfängt ihre Wohnung in Ordnung zu bringen und an den Menschen denkt, den sie nicht hat, weil sie allein ist; ein Mann, der sich eben vielleicht mit Freunden trifft, oder ganz einfach müde vor dem Fernseher sitzt – was soll er schon tun? … Die Menschen in der Wirklichkeit sind anders. Das Leben ist nicht so lieb und schön und attraktiv wie man uns das vorführt. Das Leben ist attraktiv wie ein Berg, den man besteigt, wie eine Wohnung, die man zwei Stunden lang aufgeräumt und geputzt hat. Was man dann sieht, ist schöner und attraktiver als das Theater.
Attraktiv ist, was gewachsen ist. Wachstum kommt von innen. Wenn etwas unter meinen Händen entsteht, wenn da, wo vorher nichts wahr, jetzt etwas ist, wenn ich etwas gemacht habe, etwas hervorgebracht habe, dann bin ich liebenswert für Menschen, die ähnlich sind wie ich. Menschen, die Großes sehen und aus deren Händen etwas hervorgeht, was vorher nicht war. Die von innen her strahlen, und bei denen man sich gerne aufhält. Menschen, die an sich selber glauben, weil sie an das glauben, was sie hervorbringen: Eine Wohnung, eine Bergtour, einen Abend mit Musik, ein Gespräch mit Bekannten oder einen Bummel durch die Fußgängerzone mit Freunden, bei dem man nicht gierig in die Fenster schaut mit dem Gedanken „ach`, hätte ich doch dies oder jenes“, sondern ein Bummel, bei dem man in die Fenster schaut, wie man durch eine Wiese geht und sich einfach freut, an dem was da wächst, ohne dass man jede Blume gleich pflücken will.
Wer sich von innen heraus bereichert, ohne zu kaufen, der ist attraktiv. In dem wohnt eine Kraft, etwas schön zu machen. Diese Menschen sind selten. Sie finden sich, weil sie einander ähnlich sind. Aber wer auf billige Wirkung eingestellt ist, der findet sie nicht und wird nicht gefunden. Man kann sich kaputt machen, wenn man auf die schnelle Art attraktiv sein will.
Was ist nun, wenn ich zehn Jahre lang von keinem Mann, von keiner Frau beachtet werde? Eben den einen nicht finde, oder für die andere nicht attraktiv bin? Suche ich da nicht eine Wirkung, die unter meiner Würde ist? Suche ich nicht die Wirkung, die schnell auftritt, oberflächlich, eindrucksvoll, „attraktiv“, Bewunderung heischend und erzielend? Bin ich mir im Klaren darüber, dass in mir etwas Großes wohnt, das nicht jeder wahrnimmt? Das eindrucksvolle laute Geschrei um uns herum, die Welt der Bilder und Ereignisse, die uns lautstark umgibt, erstickt die wirkliche Größe in uns, die man nur sieht und hört, wenn man still ist.
Zum Buch: https://www.kathtreff.org/blog/wegweiser-fur-singles/
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