von Pater Tilmann Beller, aus “Unterwegs zum Du”
Anstelle einer Diagnose sei ein Weg hinein in die Partnerschaft gesagt: Erstens, den anderen anschauen. Zweitens, sich dem anderen zuwenden. Drittens, den anderen annehmen. Vielleicht ist das, was die Frage wissen möchte, mit diesem dreifachen Weg gezeigt.
- Erstens, den anderen anschauen. Ich schaue dich an.
Wer einen Menschen schon einige Jahre kennt und meint, der hat nun wirklich nichts drauf, wer in der Begegnung mit einem anderen nicht ständig Neues wahrnimmt, ist selber schwach. Das Schöne bei wirklich großen Menschen ist, dass sie uns das Gefühl geben können, an unserer Persönlichkeit, an unserem Wesen, etwas zu sehen, was andere nicht sehen. Das tut uns so gut! An dieser Stelle scheitern viele Ehen: Sie langweilen einander. Die Fortsetzung ist bekannt.
Natürlich kann man nicht jedes Mal neu beginnen, jemanden kennenzulernen. Es ist ja auch gut zu wissen, wie jemand in welchen Bedingungen reagiert – dann kann die Seele zur Ruhe kommen, verweilen – und sich wieder Neuem zuwenden. Aber bei einer Zusammenarbeit ist das Miteinander oft einfach auf die Arbeit und bestimmte praktische Verhaltensweisen reduziert. Vielleicht gibt es viele, die wir noch nicht wirklich angeschaut haben. Zu denken, man würde den einen schon vollends erkannt haben und ihn uninteressant finden, ist genau der Fehler, der auch mich selbst zum bloßen „Kumpel“ macht.
- Zweitens, sich dem anderen zuwenden. Ich wende mich dir zu.
Der große Pädagoge A. S. Makarenko übernahm einst mit seiner Kolonie junger Männer eine andere Kolonie verwahrloster russischer Jugendlicher in der kommunistischen Sowjetunion. Mit einer Gruppe seiner „Kommandeure“ ging er durch ein Feld. Er sah unter einem Baum einen Buben sitzen, vielleicht zehn Jahre alt. Er blieb stehen, schaute ihn an und ging mit der Gruppe weiter. Da lief der Bub ihm nach und sagt: „Anton Semjonowitsch, warum haben Sie mich so angeschaut?“ Der große Erzieher kennt die Sprache dieser Jungen und er kennt die seelische Eigenart junger Männer (die seelische Wirklichkeit wird nur ganz zart und am Rande berührt). Er antwortet: „Ich wollte bloß mal sehen, wie so ein Dreckskerl aussieht.“ Damit sagte er mehr. Er hätte es anders sagen können – aber das hätte dann nicht in die Sprache verwahrloster Jugendlicher gepasst. Er hätte sagen können: „Mensch, ich bin froh, dass du da bist.“ Hätte er keinerlei pädagogische Begabung gehabt, hätte er vielleicht gesagt: „Ich freue mich über jeden von Euch.“ Da war etwas nun zwischen den beiden. Der Bub wollte seine Antwort öfter hören, lief ihm weiter nach und fragte wieder. Die Antwort war die gleiche. Und beide wussten: Das war eine Liebeserklärung.
- Drittens, den anderen annehmen. Ich bleibe bei dir.
Manchmal sagen wir einem Menschen, dass wir den oder den Fehler gemacht haben. Wir offenbaren eine Schwäche. Der andere macht nur eine wegwerfende Geste, und manchmal spüren wir dann: Das ist nicht Höflichkeit, sondern das stimmt tatsächlich. Bei dem oder bei der müssen wir nicht perfekt sein. Das ist auch nicht Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit. Mit dem kann ich einfach rechnen. Der sagt nicht, ich liebe dich, wenn … sondern der ist einfach für mich da. Er erwartet nicht mein Wohlverhalten, sondern er will mich.
Zurück zur Eingangsfrage: Es ist möglich, dass wir aus geglückter Zusammenarbeit, Treue und Gefährtenschaft jemanden noch einmal neu kennenlernen. An ihm Neues entdecken und ihn nochmals annehmen und innerseelisch bei ihm sind. Das wird nicht immer eine Ehe. Aber es gibt dann einfach Unterschiede: Es gibt Menschen, die wir lieben. Und wenn es so eine Liebe gibt, dann kann sie lange da sein: In manchen Situationen wird diese Liebe nicht ausgesprochen – aber sie ist da. Und manchmal gibt es Situationen, in denen wir diese Liebe auch mitteilen.
Mehr Texte von P. Beller für Singles – auf www.kathTreff.org/blog oder in seinem Buch https://www.kathtreff.org/blog/wegweiser-fur-singles/
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