Mein Philosophieprofessor, ein echter Professor vom Scheitel bis zur Sohle, war bekannt für die bunten Illustrationen seiner Vorträge. „Was ist Liebe?“, war eines Tages die große Frage. Wir saßen auf weißen Klappstühlen, draußen schien die Sonne. Dr. Fedoryka begann im Audimax herumzustolzieren wie eine feine Dame. „Was macht eine Prostituierte? Wenn ihr jemand nachgeht, dreht sie sich um und zeigt ihm ein Stück Bein“, – der Professor lüftete anschaulich sein Sakko –, „folge mir – deine Belohnung wird sich sehen lassen können.“ Er dreht um und stolziert in die andere Richtung: „Was aber macht eine Königin? Wenn ihr jemand nachgeht, dreht sie sich um und sagt: Diene mir! Er fragt sie: Was bekomme ich dafür? Und die Königin sagt: Nichts!“ Und das, liebe Leserinnen und Leser, ist die Liebe. Sie ist erwartet keine Gegenleistung, sie kalkuliert nicht, sie stellt keine Honorarnoten. Sie rechnet nicht auf – wer wieviel, wann gemacht hat. So wird die Liebe zweier Menschen mehr als eine Partnerschaft, die per definitionem durch möglichst ausgeglichenes Geben und Nehmen gekennzeichnet ist. Die echte Liebe wird zu einem Bund.
Ganz wichtig ist nun für das Kennenlernen: Dass wir nicht versuchen, Liebe durch Verlockungen zu erkaufen oder zu erzwingen. Liebe muss frei sein, sonst bleibt sie nicht. Liebe finden heißt eben nicht, den Vogel in den Käfig zu locken und dann möglichst schnell das Türchen zuzuschlagen.
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