Gut 50 kontemplative Ordensfrauen leben in Wien und Umgebung in einer Art freiwilligem Lockdown auf Lebenszeit. Sie haben Erfahrung mit Gott und Gebet aber auch erprobte Coping Strategien für Einsamkeit, Leere und Lustlosigkeit, die gerade in diesen Zeiten auch anderen Menschen helfen können.
Was als Folge der weltweiten Pandemie der Bevölkerung im Lockdown zugemutet wird, haben Ordensleute wie Schwester Christine Zvonarich aus dem Wiener Karmelitinnenkloster bewusst als Lebensform gewählt. Aus ihrem Erfahrungsschatz gibt sie Hinweise zu einem positiven Umgang mit Einsamkeit und Leerlauf für das Leben im Lockdown.
Vierzig Jahre im Karmelitinnen Kloster: Schwester Christine hat durchaus Verständnis dafür, dass ihre Lebensform auch auf Unverständnis stößt. Ihr Leben beschreibt sie in erster Linie als „Wagnis, äußere Wege zu verlassen, um sich auf die Abenteuer innerer Wege der Gottsuche einzulassen.“
Leere und Einsamkeit fruchtbar machen
Dennoch: Vor dem Gefühl von Leerlauf, Überdruss oder der „Decke, die auf den Kopf zu fallen“ droht, ist auch eine Nonne nicht gefeit. Natürlich gebe der geregelte Alltag Halt, aber es brauche mehr als das.
Der erste Schritt aus dem Leerlauf, sei der Schritt auf den anderen zu. „Es gibt so viele Möglichkeiten, anderen eine kleine Aufmerksamkeit zu schenken“, so Schwester Christine „egal, ob es eine kleine Gefälligkeit ist, ein Brief, ein kleines Geschenk, ein kurzer Anruf“. Es gebe fast unbeschränkte Möglichkeiten, andern Gutes zu tun. Und wenn man tatsächlich niemanden habe, dann könne es schon helfen, sich um ein Haustier zu kümmern. Das Schöne daran sei die Erfahrung, dass die Freude des anderen den Geber selbst beglückt.
„Fad ist mir noch nie geworden“
Zur Erfahrung der Eintönigkeit ganz allgemein meint die erfahrene Ordensfrau: „Äußere Beschränkung bewirkt auch Kreativität.“ Ein zurückgezogenes Leben sei alles andere als langweilig. Im Gegenteil. Jede der Schwestern ihrer Gemeinschaft entfalte ihre je persönlichen Talente, was das gemeinsame Leben bereichere: “Fad ist mir in den vierzig Jahren noch nie geworden.“
Schließlich ist es ihrer Erfahrung nach auch wirklich notwendig, immer wieder frische Luft zu tanken und sich an den kleinen Dingen, etwa im Garten zu freuen.
Letztlich gebe es aber im einsamen Leben, auch wenn es aus freien Stücken gewählt sei, immer auch Augenblicke oder Phasen, die man „einfach aushalten“ müsse und auch aushalten könne. Schwester Christine zitiert die Reformatorin ihres Ordens, Theresa von Avila. Diese benutzte gern das Bild der Raupe, die sich verpuppt, um zum Schmetterling zu werden. Dieses Puppenstadium ist wichtig. Die Verwandlung vollzieht sich, ohne dass man es merkt. Man hofft und vertraut, bis sich der Schmetterling zeigt.
21. November, Welttag der kontemplativen Gemeinschaften
Seit 1953 wird jährlich am 21. November, dem Fest der „Darstellung Marias im Tempel“ oder korrekt: „Unserer Lieben Frau von Jerusalem“, der Welttag der kontemplativen Ordensgemeinschaften begangen. In der Erzdiözese Wien befinden sich fünf derartige Gemeinschaften mit insgesamt gut 50 Mitgliedern: In Wien-Landstraße das Kloster der Salesianerinnen, am Hanschweg in Hietzing das Kloster der Karmelitinnen, in der Gartengasse, Wien- Margareten, der Konvent der Klarissen von der Anbetung, in Mayerling ein weiteres Karmelitinnenkloster und im Weinviertel die Zisterzienserinnenabtei Marienfeld in Wullersdorf.
Ihr tägliches Leben ist bei aller Verschiedenheit der jeweiligen Spiritualität von einer festen Tagesordnung mit gemeinschaftlichem, liturgischen und persönlichem Gebet, Stille, Handarbeit und gemeinsamer Erholung geprägt.
Gemeinsam ist allen auch das Leben in Klausur, einem klar definierten Lebensraum, den die Ordensfrauen nur aus wichtigen Gründen verlassen und der auch nur von wenigen Außenstehenden und in vom Kirchenrecht geregelten Ausnahmefällen betreten werden kann. Der geschützte Klausurbereich ist ein Raum, der, wie es die Schwestern im Wiener Karmel bezeichnen, „Wüste möglich macht.“
Räume des Gebetes auch in Zukunft
Mit „Wüste“ meinen die Ordensfrauen einen Ort der Stille und der Gottesbegegnung. Allerdings hat sie nichts mit Weltflucht zu tun, wie die Schwestern in Mayerling, wohin der Karmelitinnen-Orden nach der Tragödie um Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera von Kaiser Franz Joseph gerufen wurden, betonen: „Der Lärm und das Unwesentliche bleiben wohl möglichst draußen, die wirklichen Anliegen und großen Nöte der Menschen gelangen durch Gespräche im Sprechzimmer oder andere Kommunikationsmittel zu uns.“
Tatsächlich ist das Sprechzimmer der Nonnen gut besucht. Viele möchten die Schwestern jenseits des Sprechgitters einfach kennenlernen, viele suchen Rat und bitten um das Gebet und nicht wenige suchen spirituelle Begleitung.
Der allgemeine Rückgang an Ordensnachwuchs macht sich – wenngleich in geringerem Ausmaß als allgemein – auch in den kontemplativen Ordensgemeinschaften bemerkbar. Große Sorgen bereitet das den Ordensfrauen nicht. Sie seien dazu da, das Gebet in der Kirche zu leben, auch stellvertretend für viele andere. Schwester Christine verweist auf die neuen Gebetshäuser, die weltweit – auch in Österreich – in den letzten Jahren unter meist jungen Christinnen und Christen aller Konfessionen entstehen und meint:
„Wenn Gott uns Karmelitinnen einmal nicht mehr brauchen würde, hat er offenbar längst für neue Wege gesorgt, um Räume des Gebets zu schaffen.“
Georg Schimmerl, Erzdiözese Wien.
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