von Pater Tilmann Beller, aus “Unterwegs zum Du”
Ja, man kann nach zwanzig Jahren Ehe attraktiv sein. Man kann überhaupt das ganze Leben lang attraktiv sein. Man braucht dafür eine ganz bestimmte Charaktereigenschaft. Wenn man sie hat, bleibt man attraktiv, wenn man sie nicht hat, dann war man es nie wirklich. Es handelt sich um eine Eigenschaft, die sich mit wenigen Worten beschreiben lässt: Wir sehen andere groß.
Diese Eigenschaft kann man sich aneignen, auch wenn es einige Mühe kostet. Wie geht das? Wenn wir mit jemandem zu tun haben, dann sind wir zu erst einmal knallhart ehrlich gegen uns selber. Wir machen uns nichts vor – ein Ehebrecher ist ein Ehebrecher, ein Angeber ein Angeber, ein Faulenzer ein Faulenzer. Die Ehrlichkeit ist wichtig. Dann geht es an die Arbeit. Je mehr wir an persönlicher Qualität gewinnen, umso mehr gewinnen wir die Fähigkeit, andere groß zu sehen. Das ist richtige Arbeit. Denn normalerweise regt sich in uns zuerst das Negative. Die Störungen in einem Bild nimmt man eben leichter und schneller wahr als die Schönheit eines ganzen Bildes. Wenn man in einen wunderschön eingerichteten Salon drei tote Mistkäfer wirft, einen auf den Boden, einen auf die Couch und einen auf den Tisch, dann fallen allen Besuchern zuerst die toten Käfer auf, und dann erst denken sie an die Schönheit des Zimmers. Negative Dinge schreien lauter als Schönheit. So sind wir oft, wenn wir anderen Menschen begegnen. Wir sehen die toten Mistkäfer und hier beginnt die Arbeit. Wenn ich also jemanden sehe, erlaube mir nicht, die Mistkäfer zu sehen. Ich erlaube mir nicht, dass sich die negativen Dinge, die ich sehe, in meinem Denken breit machen.
Wenn dann jemand meint, man müsste die Wirklichkeit sehen wie sie wäre, dann sagen wir: Diese Wirklichkeit ist eine menschliche Persönlichkeit. Da gibt es natürlich einigen Mist und einige Mistkäfer. Aber – und hier beginnt die Arbeit – dies und dies und dies gibt es auch. Wir suchen also Großes beim anderen Menschen, und wir nennen es beim Namen. Wir wissen dann, dieser Mensch ist groß. Und das ist christlich. Nächstenliebe, die sich mit schlechten Menschen abgibt, reicht nicht. Christlich heißt, den anderen groß zu sehen.
Wenn man nun ein Mensch ist, der andere groß sieht, dann hat man eine besondere Ausstrahlung. Man tut anderen gut. Menschen dieser Art sind für ihre jeweilige Umgebung eine Wohltat. Man sucht ihre Nähe und man möchte im Bannkreis dieser Menschen sein. Man möchte bei Menschen sein, bei denen man so sein darf, wie man ist. In der Nähe solcher Menschen wächst man ganz von selber zu der Größe, für die Gott einen bestellt hat. Solche Menschen sind attraktiv bis ins hohe Alter. Es kommt durchaus vor, dass eine wilde Horde Jugendlicher von einer Oma begeistert ist, und keiner weiß warum. Hier liegt der Grund. Auch ein verheirateter Mensch von dieser Art – also jemand der andere einfach groß sehen kann, ist und bleibt für seinen Ehepartner attraktiv.
Zum Buch von P. Beller „Unterwegs zum Du“: https://www.kathtreff.org/blog/wegweiser-fur-singles/
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