Gedanken basierend auf einem Vortrag von Hanna-Barbara Gerl Falkovitz
Sexualität ist eine hohe Gabe – kann aber schnell ins Dämonische kippen, wenn sie die Ordnung verliert.
Sexualität ist eine starke Motorik. Kulturen leben von Trieb-“Bändigungen“. Essenskultur (Essen, nicht fressen. Trinken, nicht saufen. Etc.). Kulturen kennen grundsätzlich eine Einhegung der Sexualität. Zielrichtung mit Kriterien, wie es gelingen könnte. Warum? Wo liegt der Sinn?
- Erziehung ordnet / kultiviert.
- Überwundene Triebe machen frei für das Heilige. Der Triebverzicht gibt Freiheit – Freud spricht von Sublimation.
- Aber die Zähmung der Triebe schneidet tief ins eigene Fleisch. Auch ins eigene Geschlecht, in die Fantasie.
- Fastenzeiten sind solche Zähmungsphasen.
- Es gibt auch ein geschlechtliches Fasten – z.B. bei buddhistischen Mönchen.
- Jungfräulichkeit kommt in fast allen Religionen vor. Der Vestalin wird zugeschrieben, dass sie so stark ist, dass sie mit dem kleinen Finger ein Schiff ziehen kann.
- Es gibt einen Todesaspekt in der Sexualität – einen Todesaspekt des Fleisches. Paul Claudel erzählte, dass er 3 x am Tag in China eine Glocke hörte – damit erinnert der Buddhismus seine Mönche an das „bittere Nein zum Leben“. Die Abwehr des Urchaos, eine Absage an die Verwirrung, denn Sexualität hat Elemente des Verlustes des Selbstbesitzes; sie kennt Unbeherrschbares, von sich selbst Wegreißendes, ein Art Kontrollverlust, indem man „besetzt“ wird. In der Sexualität steckt etwas, das den Menschen überwältigt, dem er nicht Herr wird. Wir erleben eine Spaltung von Trieb und Selbst. Trieb verallgemeinert den Menschen, denn im Trieb sind wir nicht Individuum, sondern Gattung.
Die Sexualität raste vom Tabu in die völlige Freigabe. Der scheinbar problemlose Umgang mit Sexualität ist blauäugig. Die unverantwortliche Freigabe setzt zu früh ein und ohne Warnung (Nietzsche sprach von wilden Hunden im Keller).
Natürlich ist die Sexualität eine Gabe Gottes. Das Christentum war nie sexualitätsfeindlich – sondern vorsichtig. Eros reitet auf dem Panther – aber der Panther hat auch ein Eigenleben, dessen man vielleicht nicht Herr wird.
In Gen 1.27 heißt es: Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild. Ich muss also nicht in den Tempel zu den Götterbildern laufen, sondern habe einen unmittelbaren Zugang im Nachbarn zu Gott. Wir dürfen ihn nicht abbilden – aber Er hat sich in uns abgebildet, inklusive Sexualität und Fruchtbarkeit. Wir sind selbst „Götterbilder“ (hebr. salmu, zelem) in der Fruchtbarkeit. Sexualität, Schwangerschaft und Geburt sind eine Erfahrung Gottes. Geschlecht ist gewollt. Geschlechtlichkeit wird bei den Griechen als Unglück gesehen, nämlich als Ausdruck der Suche nach dem ursprünglichen Zustand der Vereinigung. Ehe ist nicht die Vereinigung zweier Hälften, sondern zweier Ganzer.
Person charakterisiert sich durch:
- Selbsthabe / Selbstbesitz – ein anderer darf nicht über mich bestimmen.
- Selbstbeherrschung – meine Triebe herrschen nicht über mich.
- Selbstgespräch / Selbstdistanz – ich reflektiere über mich selbst.
- Die Person geht aufgerichtet, wir schnüffeln nicht am Boden. Die Nase ist nicht unser erstes Organ.
- Wir sind, schon rein leiblich, auf Beziehung ausgerichtet. Wir sind offen und verletzlich.
Mit dem Panther bin ich geboren. Aber was tue ich damit? Aus der großen Gabe kann etwas Zerstörerisches kommen. Wenn die Pädagogik sagt „Probiere es aus“, „Lass den Panther laufen“ – dann kann man an die Wand laufen. Personalität dagegen ist Gestaltung: Personalität stellt sich immer die Frage: Gestalte ich, oder werde ich nur mitgespült? Bin „ich“ da noch Herr und Herrin, oder werde ich überflutet? Habe ich dazu ja gesagt – oder läuft hier ein subjektloser Prozess? Selbstgewinn steht am Ende eines Lebens, nicht am Anfang.
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