Wege in die innere Freiheit, Gedanken von Anja Hoffmann
Der Ausweg durch die alten Prinzipien Armut, Gehorsam und Keuschheit:
Die sogenannten „evangelischen Räte“ (Ratschläge, die Jesus im Evangelium jenen gibt, die ihm folgen wollen) sind uns besonders aus dem monastischen Leben bekannt, gelten aber für alle Christen. Es geht hier um Prinzipien des geistlichen Lebens, konkrete Schritte in der Nachfolge Jesu. Ich weiß, die Worte Armut, Gehorsam und Keuschheit klingen normalerweise nicht gerade attraktiv in den Ohren des modernen Menschen, aber wer sie befolgt, wird in ihnen die tiefe Wahrheit der inneren Freiheit entdecken und sie lieben lernen. Während die evangelischen Räte im monastischen Leben sehr wörtlich zu verstehen sind (Besitzlosigkeit, Gehorsam gegenüber dem Prior, Ehelosigkeit), müssen wir, die „in der Welt“ leben und wirken, die geistliche Bedeutung dieser Prinzipien verstehen und in unserem Leben ausbuchstabieren lernen. Sie sind wie das Gegenmodell zu dem von Gier bestimmten Leben, zu dem uns diese Welt verführen will: „Geld, Macht, Sex“ – so viel und so schnell wie möglich.
Ich denke, es ist wichtig, dass wir diese Versuchungen unserer Zeit verstehen und durchschauen. Wir leben in einer Zeit, in der er es nicht mehr reicht, uns als Christen einfach „brav an die Regeln zu halten“. Vielmehr müssen wir erkennen, was unsere eigentliche, tiefe Sehnsucht ist – das Leben in Fülle – und verstehen, dass es auch wert ist Opfer zu bringen, um diese zu erreichen.
Hier also ein paar Hinweise, warum Armut, Gehorsam und Keuschheit uns in die Freiheit und zum Leben führen und damit unserem Glück dienen.
Armut – Ich denke, hier sind besonders zwei Aspekte einer inneren Haltung entscheidend: Erstens die Haltung Gott gegenüber, die Armut im Geist: „Selig die arm sind im Geist, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Matthäus 5,3). Nur eine leere Schale kann gefüllt werden, nur eine offene Hand kann empfangen. Auch Gott kann uns nur dann mit Seinem Leben füllen, wenn wir mit leeren, offenen Händen zu ihm kommen und unsere Armut anerkennen vor ihm. Diese Haltung ermöglicht mir zu sehen, dass ich Gott nichts vorzuspielen brauche, sondern in meiner Armut vor Ihn kommen und mich von Ihm füllen lassen darf. Und wo meine Sehnsucht von Ihm gestillt ist, wird die Gier nach irdischen Gütern verblassen.
Zweitens geht es bei der Armut um unserer Haltung gegenüber den irdischen Gütern, ein Losgelöstsein vom irdischen Besitz. Dies bedeutet einerseits eine Entscheidung für eine gewisse Einfachheit im eigenen Leben. Was das genau bedeutet, muss jeder für sich selbst beurteilen. Mir gefällt der Zugang, grundsätzlich nur die Dinge zu kaufen und zu haben, die ich wirklich brauche und ab und zu bewusst auf etwas zu verzichten um stattdessen in das Reich Gottes zu investieren. Im Evangelium verspricht uns Jesus etwas, das ich sehr bewegend finde: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Matthäus 6, 21). Im Endeffekt geht es Gott darum, dass wir nicht unser Herz verlieren an Vergängliches und uns nicht gefangen nehmen lassen von der Habgier. Dafür verspricht er uns, dass unser Herz auf die Ewigkeit ausgerichtet sein wird, was eine immense Freiheit bedeutet. Anderseits bedeutet die Haltung, die mit Armut gemeint ist, uns keine Sorgen um die irdischen Dinge zu machen. Was das Thema Sorgen betrifft, ist das Evangelium schonungslos klar (und ziemlich herausfordernd, finde ich!), aber steckt in diesen Worten Jesu nicht auch eine unglaubliche Freiheit?
„Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn nach alldem streben die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ (Matthäus 6, 31-33)
Gehorsam – Mit diesem Gedenken tut sich der moderne, individualistisch geprägte Mensch vielleicht noch schwerer. Da wir in unserer Geschichte schmerzlich gesehen haben, was „blinder“ Gehorsam anrichtet, sind wir generell sehr vorsichtig geworden mit diesem Wort und assoziieren es oft mit Abhängigkeit und Unfreiheit. Aber der Gehorsams ist in Wirklichkeit die größte Freiheit: „Liebe und tue was du willst!“; schreibt der Hl. Augustinus. Denn Gehorsam ist kein oberflächliches, blindes Befolgen, was mir gesagt wird. Im Gegenteil, es geht darum, uns hineinnehmen zu lassen in die Haltung des Sohnes gegenüber dem Vater, zu erkennen, dass der Wille Gottes vollkommen gut ist und ihn zu tun – und so alles mit Ihm zu teilen.
Keuschheit – Im Bereich Beziehung und Sexualität sehen wir sehr deutlich, dass das, was „die Welt“ uns als „Freiheit“ verspricht, uns in Wahrheit in Abhängigkeit führt und unglücklich macht. Ein Mensch, dessen Leben nur darauf ausgerichtet ist, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen wird Sklave seiner Triebe, er wird andere Menschen verletzen, an dem „vorbei leben“ wozu er eigentlich geschaffen ist und sich am Ende in der Einsamkeit wiederfinden. Wer wahrhaftig liebt, weiß, dass Liebe immer auch eine Entscheidung ist, dass sie Treue und Hingabe bedeutet und oft auf Verzicht auf das, was ich gerade will. Aber auch, dass nur diese Hingabe zum echten Leben führt und uns wirklich glücklich macht.
Ich denke, es ist wichtig für uns zu erkennen, dass es nicht darum geht, starr irgendwelche moralischen Regeln zu befolgen sondern vielmehr darum, zu begreifen, wie wir als Menschen geschaffen sind und was uns zutiefst entspricht. Es ist unser Sein aus dem das Sollen entspringt, wer wir sind zeigt uns wie wir leben sollen. Wenn wir dies im Licht Gottes betrachten, finden wir in die Freiheit. Wir werden nicht länger gefangen sein von der Gier unserer Triebe und Bedürfnisse, sondern frei wahrhaftig zu lieben.
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