von Pater Tilmann Beller, aus “Unterwegs zum Du”
Ein Christ ist attraktiv. Aber dies bedarf einer Erklärung. Erstens: Ein Mensch ist attraktiv, wenn er ein positives Denken hat. Wenn er sieht, da ist etwas schön. Man kann eine Bluse richtig schön finden —oder man kann die gleiche Bluse ärgerlich betrachten, weil ein Fleck von Bratensoße darauf zu sehen ist. Es gibt Menschen, die überall die Bratensoßeflecken sehen.
Überall wird das Negative hervorgehoben. Es geht uns aber nicht um Schönfärberei, sondern um eine Form menschlicher Reife. Wenn ich also ein Mensch bin, der eine solch positive Ausstrahlung hat, der hier und dort etwas Gutes sieht und es auch beim Namen nennt —dann bin ich attraktiv.
Wenn man mich auf einen Bratensoßefleck aufmerksam macht oder auf eine zerknitterte Bügelfalte, und wenn ich dann einfach lächle und sage: „Natürlich, aber warum ist Ihnen das wichtig?“ —dann bin ich attraktiv.
Zweitens: Ein Mensch ist attraktiv, wenn wir gerne in seiner Nähe sind. Wenn wir dort ausruhen können. Da geht es nicht darum, schön zu sein, oder geistreich und witzig. Von solchen Dingen wird man nur im Augenblick angezogen.
Wir Menschen sind so angelegt, dass wir in einem tieferen Sinn verweilen können. Es gibt Menschen, bei denen man verweilen kann. Möglicherweise sind sie nicht besonders schön oder witzig oder geistreich. Man spürt einfach, von ihnen geht ein Strom aus, in dem man es lange aushalten kann. Und wenn sie weg sind, dann hat man irgendwie Heimweh nach ihnen. Das hat nichts mit Gefühl zu tun. Das ist eine Erfahrung unserer ganzen Persönlichkeit. Das ist mit dem Erleben der Natur vergleichbar. Da ist ein Platz, ein Wort, wo ich sagen kann, das ist mein Platz. Das ist wie eine Wohnung, die ich über lange Zeit hindurch sorgfältig mit vielen Dingen eingerichtet habe, die eine Geschichte erzählen können. Eine Geschichte von Menschen, die sie uns geschenkt haben oder von Dingen, die wir mit ihnen erlebt haben.
Wir sind attraktiv, wenn wir an unserer Umgebung etwas entdecken, das uns zum Verweilen einlädt. Wenn wir viele solche Dinge haben, bei denen wir ausruhen können. Und wenn wir einige Dinge haben in unserer Wohnung, in unserer Arbeit, in der Natur, die wir einfach mögen. Wir sind attraktiv, wenn wir irgendetwas haben, was uns besonders kostbar ist.
Damit zeichnet sich schon ab, dass eine allgemeine Attraktivität, also Anziehungskraft, durch eine besondere Attraktivität ergänzt werden kann. Eine besondere Attraktivität sieht so aus: Wir hören gerne ein Konzert. Da ist nun ein Berufsmusiker, der den ganzen Tag und die halbe Nacht Musik macht oder Musik um sich herum haben möchte. Wir wollen aber nicht dauernd Musik hören, sondern immer wieder ein gutes Konzert.
Besondere Attraktivität birgt eine Frau für einen Mann, wenn sie sich richtig schön machen kann. Aber eine Frau, die den ganzen Tag vor dem Spiegel steht, kann sehr anstrengend sein.
Eine besondere Attraktivität wohnt in einem Mann, der gerne redet und jemandem gerne etwas erklärt. Aber zu Hause kann solch ein Dauerredner sehr anstrengend sein. Ich muss mich also fragen, ob das, was mich jetzt, hier und heute anzieht, nur für eine gewisse Zeit oder permanent anziehend für mich sein wird.
Drittens: Ein Mensch ist attraktiv, wenn er sich an sich selbst freut. Man ist attraktiv, wenn man sich selbst gerne in eine Gemeinschaft einbringt, mit seiner eigenen Art. Die Grundhaltung zu sich selbst kann zur Quelle permanenter Selbstkritik werden – oder zur Quelle einer ruhigen Freude an sich selbst.
Wer sich selber nicht leiden kann, ist nicht attraktiv. Wer sich ruhig und gelassen an sich selber freut, ist attraktiv. Ein berühmter Mann der deutschen katholischen Kirche stellte sich beim Fotografen vor den Spiegel und sagte: „Der liebe Gott hat mich doch ganz gut hingekriegt.“
Zum Buch: https://www.kathtreff.org/blog/wegweiser-fur-singles/
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