Gerlinde und Marcus

Seit ich ein junges Mädchen war, habe ich von Liebe und einer Familie geträumt. Bei meinem Umzug nach Berlin 2003 mit Ende 20 war ich aber leider immer noch Single. Meine Mutter, die Berlinerin ist, sagte damals: „Geh doch mal in den Botanischen Garten, dort gibt es viele nette junge Männer.“ Zunächst war ich aber mit einem Kurs, der Arbeitssuche und der Einarbeitung in meinen neuen Job zu beschäftigt. Im August 2004 probierte ich es dann an einem Nachmittag mit dem Botanischen Garten. Ich zog mir einen leuchtend roten Pullover an, um - wie es die Blumen ja auch tun - auf mich aufmerksam zu machen. Am Tag zuvor hatte es aber geregnet und es waren nur wenige Menschen im Park unterwegs. Darunter hauptsächlich Familien, Senioren und Paare. Vor den Pflanzenschauhäusern traf ich sogar auf eine Hochzeitsgesellschaft. Für ein paar Stunden lief ich etwas herum und sah mir die Pflanzen an, kam aber mit keinem jungen Mann ins Gespräch wie ich es erhofft hatte. ‚Fehlanzeige’, dachte ich enttäuscht, während ich langsam wieder zum Ausgang ging. Auf dem Weg dorthin kam mir noch ein junger Mann mit fröhlichem Gesicht, der von einem älteren Herrn und einer Dame - vielleicht seinen Eltern - flankiert war, entgegen. Die ältere Dame und ich blickten uns in die Augen.

Die Zeit verging, ohne dass ich durch Zufall den „Richtigen“ kennenlernte. Zwar fühlte ich mich einsam, dachte aber auch, dass eine Kontaktanzeige, z.B. im Internet, zu peinlich wäre. Versuchten es so nicht nur seltsame und verzweifelte Menschen, die auf normalem Wege keinen gefunden hatten? Ich surfte auf ein paar Websites und las Kontaktanzeigen, die ich allesamt deprimierend fand. Wie sollte man so den Richtigen finden, wenn die Leute auf der Website ganz anders waren als ich?

Anfang 2005 ging ich in eine Buchhandlung und besorgte mir ein paar Bücher zum Online-Dating. Darin stand unter anderem, dass es gut ist, wenn Frauen eine Anzeige aufgeben, so dass der Mann sich der Frau nähern kann und versuchen kann, sie zu erobern, und sie sich einen Mann unter vielen Zuschriften auswählen kann. Einige Wochen später, nachdem sich in meinem Privatleben von selbst immer noch nichts getan hatte, schaltete ich dann mit viel Mut eine kurze, freundliche Anzeige - zuerst auf einer katholischen Website und dann auf mehreren christlichen Websites - mit einer anonymen E-Mail Adresse. Als die ersten Zuschriften kamen, war ich so aufgeregt, dass ich nächtelang nicht schlafen konnte. Endlich bewegte sich etwas in meinem Leben! ‚Jetzt nur nicht die falsche Entscheidung treffen’, dachte ich und siebte aus. Zuerst wollte ich nur einen Berliner und sagte allen anderen ab. In die Anzeige hatte ich auch eine philosophische Frage eingebaut. Denjenigen, die darauf keine Antwort wussten, sagte ich ebenfalls ab.

Über die nächsten Monate hielt ich per E-Mail Kontakt zu mehreren Personen (aus Sicherheitsgründen ohne meinen Nachnamen oder Arbeitsplatz zu verraten), die sich ausführlich zu meiner Frage geäußert hatten. Jedoch musste ich feststellen, dass einige davon meinen Vorstellungen nicht entsprachen und ich vielleicht nicht den Vorstellungen anderer. Da der Strom an Zuschriften langsam nachließ und nur noch wenige E-Mails pro Monat eintrafen, kontaktierte ich wieder einige, denen ich vorher abgesagt hatte. Ich dachte mir, dass der Richtige vielleicht nicht unbedingt in Berlin leben muss und ich diesbezüglich flexibler sein sollte und dass die Tatsache, dass jemand auf die Frage nicht geantwortet hatte, auch nicht bedeuten müsste, dass er ein schlechter Mensch sei.

Bald riefen mich „Brieffreunde“ an (mir war vorher vor Aufregung immer schlecht, was ich aber verbergen konnte). Bei persönlichen Treffen in Berlin (aus Sicherheitsgründen immer in der Öffentlichkeit) merkte ich, dass der persönliche Eindruck wieder ein ganz anderer war. Bei diesem Treffen sprach ich über Themen wie katholische Moralvorstellungen, um etwas über die Wertvorstellungen der Person herauszubekommen und mich nicht durch z.B. das Aussehen oder den Beruf blenden zu lassen.

Während ich neue E-Mails empfing und schrieb, telefonierte und zu Treffen ging, litt ich aber auch immer wieder unter dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung sowie anhaltender Schlaflosigkeit. ‚Vielleicht gibt es den Richtigen ja gar nicht’, dachte ich desillusioniert.

Einer der Männer, dem ich anfänglich abgesagt und dann wieder kontaktiert hatte, war Marcus. Er fragte mich nach vier E-Mails, ob wir uns das erste Mal vielleicht in Park Sanssouci oder im Botanischen Garten treffen könnten. Ich überlegte mir, dass es vielleicht schön wäre, eine positive Erinnerung an den Botanischen Garten zu haben. Also trafen wir uns dort an einem heißen Tag im Juli 2005, Erkennungszeichen war sein grünes und mein blaues Shirt - Photos hatten wir vorher noch nicht ausgetauscht . Wir unterhielten uns etwas schüchtern, aber sehr angenehm. Wir redeten über Pflanzen, unsere Arbeit, unsere Eltern und Geschwister und die katholische Kirche. Als der Tag sich dem Ende näherte, fragte Marcus, ob er mich wiedersehen dürfe.

Jetzt, im Oktober 2006, sind wir seit 1 1/4 Jahren zusammen und sehr glücklich. An seinem Geburtstag in diesem Jahr lud mich Marcus in den Botanischen Garten ein, wo er mir unter einem romantischen Baum an einem kleinen See, wo wir bei unserem ersten Kennenlernen lange geredet hatten, mit einem Goldring einen Heiratsantrag machte.

Obwohl wir von unserem Hintergrund (wir kommen beide aus heilen Familien), Persönlichkeit (wir sind beide eher introvertierte Menschen mit engen Bindungen an unsere Familien) und unseren Wertvorstellungen (konservativ katholisch) sehr gut zusammenpassen, hatten wir auch einige Diskussionen in diesem Sommer, u.a. zur traditionellen Rollenverteilung in der Ehe, die durch seine Einkommenssituation erschwert ist. Aber auch hier haben wir gemeinsamen Grund gefunden.

Viele Monate nach unserem ersten Treffen im Botanischen Garten stellte sich heraus, dass Marcus mit seinen Eltern im August 2004 auch dort war. Seine Mutter schien sich noch zu erinnern an „ein Mädchen, das ganz alleine herumlief“ und sein Vater an eine Hochzeitsgesellschaft. Als mein Vater die Eltern von Marcus traf, stellten sie fest, dass sie sogar einen gemeinsamen Bekannten haben. Alles nur Zufälle? Obwohl ich dachte, ich hätte mir einen Mann aus dem Netz alleine geangelt, war vielleicht doch eine Hand mehr im Spiel.

Ich möchte daher gerne allen Frauen Mut machen, selbst eine Anzeige zu schalten. Wie bei der Arbeitssuche und allen anderen Dingen im Leben auch, kann man durch Mühe, Geduld und Gebet Erfolg haben. Vielleicht ist man ja auch dazu bestimmt, seinen Mann so kennenzulernen. Was hat man zu verlieren außer der eigenen Einsamkeit?

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